Drittelteilung - Rechtssicherheit oder Risiko?
In der über 150-jährigen Geschichte des Kleingartenwesens haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse der einzelnen Kleingärtnerinnen und Kleingärtner weiter entwickelt. Der Zwang und der Wunsch zur Selbstversorgung aus dem Garten hat durch das ganzjährige Angebot von frischem Gemüse, Salaten und Obst in den Supermärkten nachgelassen. Kürzere Arbeitszeiten bringen uns mehr Freizeit, andererseits werden an arbeitende Menschen höhere Anforderungen gestellt. Erholung und Freizeitgestaltung spielt in unserer heutigen Gesellschaft eine immer stärkere Rolle.
Erholung
Jeder von uns hat eine andere Auffassung darüber, wie er sich erholen kann. Auf unseren Kleingarten bezogen kann das für den Einen von uns sein, sich beim Graben, Hacken, Schneiden und Wühlen körperlich auszutoben. Andere von uns erholen sich damit, dass sie gestalterische Kreativität entwickeln und umsetzen können. Wieder andere von uns erholen sich beim Zusammensein mit Freunden und Bekannten oder auch, wenn sie einfach gar nichts tun.
Alle diese Wünsche können in einem Kleingarten erfüllt werden. 1983 (mit Änderungen in 1994) wurde das Bundeskleingartengesetz geschaffen, das die Bedürfnisse von uns, die wir unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen leben, ebenso berücksichtigt, wie die Zielsetzung und Zweckbestimmung des Kleingartenwesens.
Wir, mehr als eine Million Kleingärtnerinnen und Kleingärtner in Deutschland, dürfen stolz darauf sein, dass sich dies der Gesetzgeber zu Eigen gemacht und die Interessen von uns Kleingärtnerinnen und Kleingärtnern in diesem besonderen Gesetz geschützt hat.
Schutz vor Zugriff auf Portmonee und Flächen
Das Bundeskleingartengesetz legt zum Beispiel eine Obergrenze für die Pachtpreise unserer Kleingartenflächen fest. Dies ermöglicht erst, dass auch Menschen mit einem geringen Einkommen einen Kleingarten pachten können. Dieser soziale Gedanke ist schon im Wesen des Kleingartens verankert.
Zugleich schützt uns das Bundeskleingartengesetz vor dem Zugriff der Eigentümer auf unsere Flächen, der in Anbetracht der oft lukrativen Lage im innerstädtischen Bereich aus wirtschaftlichen Gründen durchaus verständlich wäre.
In diesem Bundeskleingartengesetz hat der Gesetzgeber auch festgeschrieben, was wir in unserer heutigen Zeit unter Kleingarten verstehen, nämlich den "Anbau von Obst, Gemüse und anderen Gartenbauerzeugnissen zum Eigenbedarf" einerseits sowie zur "Erholung" andererseits.
Der Gesetzgeber hat bewusst die gärtnerische und die Erholungsnutzung gleichberechtigt nebeneinander gestellt.
Dabei hat der Gesetzgeber Probleme und Schwierigkeiten bei der praktischen Auslegung bzw. Umsetzung bewusst in Kauf genommen. Eine Festlegung von Prozentsätzen für die gärtnerische und für die Erholungsnutzung hätte nämlich zur Folge gehabt, dass bei jeder geringen gesellschaftlichen Weiterentwicklung eine Überarbeitung und Neufassung des Gesetzes erforderlich gewesen wäre.
Drittelteilung
Seit Jahrzehnten, bereits vor in Kraft treten des neuen Bundeskleingartengesetzes, haben Verbände und Vereine aus praktischen Erwägungen eine Drittelteilung der Kleingartenanlage und der Kleingartenparzelle vertreten. Selbst Kenner der Drittelteilung haben jedoch Schwierigkeiten, eine Begriffsbestimmung zu geben:
- mindestens ein Drittel Anbau von gärtnerischen Erzeugnissen wie Salat, Gemüse, Kräuter, Obst,
- höchstens ein Drittel bauliche Nutzung, wie Laube, Freisitz, Pergola, Gewächshaus, Wege, Zaun,
- höchstens ein Drittel Erholungsnutzung, wie Rasen, Zierpflanzen.
Streit
Jedes Vorstandsmitglied in einem Verein weiß, dass sich einzelne Kleingärtner innen und Kleingärtner größere Erholungsflächen wünschen und auch anlegen. Dies kann zu Streitigkeiten zwischen Vorstand und seinen Mitgliedern führen und führt auch oft genug dazu. Aber der Vereinsvorstand ist ja nicht aus Eigeninteresse an der Einhaltung der Drittelteilung interessiert. Vielmehr stehen die Eigentümer der Grundstücksflächen, die sie für wenig Geld an den Kleingartenverein verpachtet haben, hinter der Einhaltung der Drittelteilung und damit der Einhaltung der kleingärtnerischen Nutzung.
Halten sich nämlich die Kleingärtnerinnen und Kleingärtner nicht an die Drittelteilung, sehen die Eigentümer darin einen Grund, das Pachtverhältnis mit dem Kleingärtnerverein wegen Vertragsverletzung zu kündigen. Denn der Pachtvertrag legt fest, dass das Grundstück nur zur kleingärtnerischen Nutzung verwendet werden darf und nur bei kleingärtnerischer Nutzung die Pachtpreisobergrenze einzuhalten ist.
Eine solchen Streitfall über die kleingärtnerische Nutzung einer Kleingartenanlage haben jetzt ein Verein und ein Eigentümer bis vor den Bundesgerichtshof getragen.
Urteil in höchster Instanz
In seinem Urteil vom 17. Juni 2004, Aktenzeichen III ZR 281/03 hat der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden, dass eine kleingärtnerische Nutzung vorliegt, wenn im Gesamtbild einer Kleingartenanlage die Drittelteilung eingehalten wird, d.h. mehr als ein Drittel der Flächen in einer Kleingartenanlage (und damit auch in einer Kleingartenparzelle) zum Anbau von gärtnerischen Erzeugnissen zum Eigenbedarf genutzt wird.
Dieses Urteil stärkt die Position der Kleingärtnervereine und –verbände und gibt den Vereinsvorständen die Hilfestellung, die sie bei der Umsetzung der Drittelteilung dringend benötigt haben.
Der Bundesgerichtshof hatte sich mit der Frage der kleingärtnerischen Nutzung auseinander zu setzen. Ausdrücklich hat der Bundesgerichtshof die Gleichsetzung der Erholungsnutzung neben der gärtnerischen Nutzung im Bundeskleingartengesetz gut geheißen. Zur Begründung hat er auf die gesellschaftlichen Entwicklungen und das Bedürfnis der Menschen nach Freizeit und Erholung hingewiesen.
Grundrecht auf Eigentum
Der Bundesgerichtshof hat aber auch mahnend den Zeigefinger erhoben, als er die Bestimmungen im Bundeskleingartengesetz als noch verfassungskonform angesehen hat. Der Artikel 14 unseres Grundgesetzes schützt nämlich das Eigentum und stellt das Eigentum gleichzeitig unter eine soziale Verpflichtung.
Wie ausgeführt, zwingt das Bundeskleingartengesetz den Eigentümer, die einmal kleingärtnerisch genutzten Flächen zu einem geringen Pachtpreis unseren Kleingärtnervereinen zur Verfügung zu stellen. Weiterhin schränkt das Bundeskleingartengesetz die Kündigungsmöglichkeiten des Eigentümers so stark ein, dass die Pachtverträge faktisch fast unkündbar sind ohne Beschaffung von Ersatzlagen.
Dieser schwerwiegende Eingriff in die Eigentumsrechte der Grundstückseigentümer ist aber nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs nur damit gerechtfertigt, dass diese Flächen im Sinne des Bundeskleingartengesetzes kleingärtnerisch und dazu mindestens zu einem Drittel zum Anbau von gärtnerischen Erzeugnissen zum Eigenbedarf genutzt werden.
Nur die kleingärtnerische Nutzung wiederum ermöglicht es uns, Menschen mit geringem Einkommen zu einem vertretbaren Pachtpreis Kleingärten anbieten zu können.
Erholungsgrundstücke
Diejenigen unter uns, die sich größere Erholungsflächen wünschen und diese auch gegen die Vorgaben des Kleingartenvereins auf ihrer Parzelle umsetzen, gefährden das Kleingartenwesen. Vielleicht regen diese Ausführungen und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Juni 2004 bei manchem von uns zum Umdenken an.
Es sei auch darauf hingewiesen, dass überall „freie“ Gärten und Erholungsgrundstücke für Interessierte angeboten werden. Neben deutlich höheren Pachtpreisen riskiert der Pächter, einmal mit viel Eigenleistung geschaffene Werte bei einer jederzeit möglichen Kündigung durch den Eigentümer zu verlieren und aufgeben zu müssen.
Risiken
Bestrebungen, das Bundeskleingartengesetz zu ändern und insbesondere der Erholungsnutzung einen stärkeren Stellenwert einzuräumen, gibt es heutzutage vielerorts. Diese Bestrebungen kommen aber nicht von den Kleingärtnerorganisationen!
Der Bundesgerichtshof hat mit seinem vorerwähnten Urteil noch einmal deutlich gemacht, dass das Bundeskleingartengesetz mit seinen heutigen Bestimmungen bereits an die Grenze der Verfassungsmäßigkeit stößt. Eine weitere Verschiebung der kleingärtnerischen Nutzung hin zur Erholungsnutzung unter gleichzeitiger Beibehaltung der Einschränkungen für den Grundstückseigentümer dürfte vor dem Bundesverfassungsgericht keine Aussicht auf Bestand haben.
Eine Aufhebung der Pachtpreisbindung und des Kündigungsschutzes ist jedoch aus Sicht der heutigen Kleingärtnerinnen und Kleingärtner nicht vertretbar.